Wenn du meinen Blog schon kennst, hast du in der Rubrik „Über mich“ schon lesen können, dass mich das japanische Konzept Ikigai schon seit vielen Jahren begleitet und mich in einer schwierigen Phase der Orientierungslosigkeit während der Jobsuche dazu gebracht hat, mich wieder auf mich und meine Stärken zurückzubesinnen. Heute möchte ich auf dieses Konzept näher eingehen, damit auch du damit die Möglichkeit bekommst, nochmal genauer hinzuschauen, was du mit deinem Leben und deinem Beruf erreichen möchtest.
Ein japanisches Konzept mit einer europäischen Methode
Vielleicht hast du schon von Ikigai gehört oder gelesen. Es ist seit einiger Zeit sehr stark in den Sozialen Medien vertreten und es erscheinen immer mehr Artikel und Bücher darüber. Als ich mich 2017 zum ersten Mal damit auseinandergesetzt habe, gab es nur ein Buch, nämlich das von Héctor García und Francesc Miralles, das du auch in meinen Buchtipps finden kannst. Das Wort Ikigai besteht aus zwei Wörtern, wobei das iki für das Leben und kai oder gai für den Sinn steht. Gemeinsam ergibt es den Sinn des Lebens oder den Grund, warum wir jeden morgen aufstehen. Mit vier spannenden Fragen kannst du also für dich herausfinden, was dich jeden Tag motiviert, aufzustehen und bestimmte Dinge zu tun. An dieser Stelle ist es mir wichtig zu erwähnen, dass ich nach jahrelanger Beschäftigung mit diesem Thema auf einen Artikel von ikigaitribe gestoßen bin, der darauf hinweist, dass das für uns im Westen bekannt gewordene Venn Diagramm, das zur Beantwortung von vier Fragen genützt werden kann, nicht das ursprüngliche Ikigai Diagramm ist, sondern seinen Ursprung in einem Purpose Diagramm hat. Ich habe in der Zwischenzeit auch einige Bücher von japanischen Wissenschaftler*innen gelesen und auch mit Japaner*innen gesprochen und tatsächlich ist dieses Diagramm im Zusammenhang mit dem Ikigai so nicht bekannt. Wenn ihr euch in das Thema vertiefen möchtet, kann ich euch wieder meine Buchtipps empfehlen, die ich immer wieder aktualisiere, sobald ein passendes Buch für euch dabei ist.
Ikigai oder Purpose – wo möchtest du hin?
Auch wenn das japanische Ikigai nicht ursprünglich mit den vier Fragen zu beantworten ist, möchte ich euch die Methode dennoch näherbringen, denn es hat mich dabei unterstützt das zu finden, was ich heute beruflich gerne mache und mir eine Richtung gegeben, wohin ich gehen möchte. Und ich wünsche dir, dass es dir mit dieser Methode auch gelingt. Nun also zu den vier Fragen:

Wie finde ich mein IKIGAI?
In ihrem Buch „IKIGAI – The Japanese Secret to a Long and Happy Life“ beschreiben die Autoren García und Miralles, wie du mit der Beantwortung der Fragen „was du gerne und gut machst“, „was die Welt braucht“, „wofür du auch bezahlt werden kannst“, dein IKIGAI findest. Daraus ergibt sich dann zuletzt ein Bild, wer du bist oder wer du sein möchtest.
Am besten ist, du nimmst ein Blatt Papier und zeichnest vier Kreise wie oben abgebildet. Danach kannst du die Fragen und die Überlappungen in die Kreise hineinschreiben.
Meine Leidenschaften
Was liebe ich & Worin bin ich gut
Schreibe dir nun auf, was du liebst und worin du gut bist. Daraus ergeben sich deine Leidenschaften. Ein Beispiel: du liebst es zu kochen und bist auch gut darin. Oder ein bestimmter Sport, oder Freizeitbeschäftigung, oder ehrenamtliche Tätigkeit, oder dein aktueller Job, oder von allem etwas.
Das können aber auch voneinander (noch) unabhängige Leidenschaften sein. Beispielsweise gibt es einen Kindheitstraum, den du wieder für dich entdeckst und dies eine Sache ist, die du liebst. Aber vielleicht bist du noch nicht ganz so gut darin – das wäre eine potenzielle Leidenschaft, die ich auch aufschreiben würde. Warum, werden wir zum Schluss sehen.
Meine Aufgaben
Was liebe ich & Was braucht die Welt
Du liebst es, Menschen zu unterstützen, und das ist zugleich auch etwas, was die Welt braucht. Als erstes fällt uns womöglich eine ehrenamtliche Tätigkeit ein. Es kann aber genauso gut etwas sein, wofür wir bereits bezahlt werden – oder Potenzial hat, dass wir dafür bezahlt werden könnten. Schreibe sie auf! Das sind deine Aufgaben.
Meine Berufung(en)
Was braucht die Welt & Wofür kann ich bezahlt werden
Du tust bereits etwas, das die Welt braucht und kannst auch dafür bezahlt werden – perfekt! Du tust vielleicht etwas, das die Welt braucht, aber wirst noch nicht dafür bezahlt – das kann ein verstecktes Potenzial für eine zukünftige Berufung für dich sein.
Meine Berufe
Wofür kann ich bezahlt werden & Worin bin ich gut
Hier schreibst du beispielsweise alle Berufe und die damit verbundenen Fähigkeiten auf, die du jemals hattest. Denn darin bist du sicher gut und wurdest ja auch schon dafür bezahlt. Auch hier kann es sein, dass sich ein Talent (worin bin ich gut) versteckt und du plötzlich entdeckst, dass du noch nicht dafür bezahlt worden bist, weil du nie danach gesucht hast.

Das ist nun dein IKIGAI
Jetzt ergibt sich ein klareres Bild für dich, nachdem du alle vier Fragen beantwortet und die vier Überlappungen beschrieben hast. Dein IKIGAI ist in der Mitte der Überlappungen idealerweise die Antwort auf mögliche Fragen, die den Sinn deines Lebens ausmachen. Wenn nur eine Frage nicht im Zusammenhang mit den anderen Fragen beantwortet werden kann, bist du noch auf der Suche.
Ein Beispiel: Du arbeitest im Krankenhaus, schon seit Jahren, machst also etwas für die Gemeinschaft und bist gut darin, und wirst auch dafür bezahlt. Aber du liebst es nicht (mehr). Du hast also dein IKIGAI nicht erreicht, denn du bist in der Früh nicht motiviert, aufzustehen und deinen Job im Krankenhaus auszuüben. Was am Anfang womöglich sinnstiftend für dich war, hat sich im Laufe der Zeit verändert. Eine neue Leidenschaft, die du aufdecken konntest, ist vielleicht, speziell mit Kindern oder mit älteren Menschen zu arbeiten. Um wieder den Sinn und den Spaß in deiner Tätigkeit und in deinem Leben zu finden, könntest du dich beispielsweise umschulen lassen auf Kinder- oder Altenpflege.
Wir haben zu Beginn eine potenzielle Leidenschaft aufgeschrieben – ein Kindheitstraum, eine Sache, die wir zwar lieben, aber worin wir noch nicht gut sind. Wenn uns diese Sache wichtig ist für die Erfüllung unseres Lebens, dann werden wir alles dafür tun, darin gut zu werden. Daher ist zuerst das Bewusstsein darüber wichtig, um sich dann Ziele und Schritte zur Umsetzung zu setzen.
IKIGAI ist ein Prozess
Den Sinn des Lebens finden, das ist für viele von uns etwas Großes, vielleicht ewig Mystisches. Und vielleicht fiel es uns bis jetzt schwer, uns damit auseinanderzusetzen, weil wir Angst davor hatten, etwas zu entdecken, was auf ewig in Stein gemeißelt sein müsste. Aber der Sinn des Lebens kann sich immer wieder verändern. Weil wir neue Themen in unserem Leben entdecken oder uns mit neuen Menschen umgeben. Daher ist die Beschäftigung mit der Sinnsuche und mit dem eigenen IKIGAI ein Prozess. Für manche kann Veränderung beängstigend sein. Da das ganze Leben aber aus Veränderung besteht, ist es besser, sich rechtzeitig mit seiner eigenen Flexibilität auseinanderzusetzen. Das hilft auch, sich immer wieder seinen eigenen Stärken bewusst zu werden.
„Sowohl als auch“ statt „entweder-oder“
Ich selber habe im Leben sehr oft in entweder-oder gedacht. Es gab immer nur eine mögliche Antwort – was nicht dazu passte, musste gestrichen werden. IKIGAI hat meinen Blick auf Potenziale neu geschärft. Es verstärkt sogar den Gedanken „sowohl“ eine Sache, „als auch“ eine andere (Leidenschaft) gleichzeitig auszuleben – wenn sie für mich Sinn machen. Die Auseinandersetzung mit dem Sinn des Lebens ist die Aufdeckung von Dingen, die wir ohnehin in uns haben. Die Beschäftigung mit dem IKIGAI – sei es mit den vier Fragen oder mit den Büchern der japanischen Schriftsteller*innen – wird dich vielleicht auf Neues bringen. Aber zumeist sind es Dinge, die du schon lange machst. Es geht hier vor allem darum, dir versteckte Potenziale wieder ins Bewusstsein zu holen und damit dein Leben positiv zu verändern.
Life Balance statt Work Life Balance
Viele, die mich kennen, wissen, dass ich das Wort und mit dem Konzept des Work Life Balance nichts anfangen kann. Denn wir haben ja nur das eine Leben und darin sollten wir eine Balance finden. Work Life Balance impliziert für mich, dass wir eine Arbeit (Work) und ein Leben (Life) haben, das wir in Balance bringen sollen. Doch wir haben nur EIN Leben, in das die Arbeit und das Private ausgewogen Platz finden sollen. Wörter sind stark und prägen sich in unser Unterbewusstes ein. Und sie prägen unsere Gedanken und dann auch unsere Taten. Deswegen ist es bei allem, was wir lesen und hören und selber aussprechen wichtig zu hinterfragen, ob wir es nur mehr aus Gewohnheit machen oder für uns wirklich eine Wahrheit dahinter steckt. Im Falle der Life Balance hat sich für mich ganz klar wieder das Wort Leben hervorgehoben und meine Arbeit erfüllt mich und mein Leben, weil es im Einklang mit meinen Bedürfnissen und meinem Privatleben ist.
Und deswegen – wenn ihr euer Ikigai sucht und findet, sollte es etwas sein, dass euch ganzheitlich erfüllt. Dabei wünsche ich euch viel Freude!
Alles Liebe, Klara.
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